Anfangs März entfliehe ich dem bevorstehenden Viruschaos sowie dem öden Winter begebe mich in etwas wärmeres Gefilde. Gebucht haben ich und eine Freundin bereits ein paar Monate zuvor und konnten uns gerade noch die letzten Plätze des beliebten Delfin-Trails an der Alentejo-Küste sichern. Wir beschlossen, wenn wir schon mal in Portugal sind, resp. in Lissabon landen, gleich auch ein paar Tage Sightseeing in Lissabon einzuplanen. Gesagt, getan. Wir verbringen vier Tage in der Hauptstadt, welche wirklich einen Besuch wert ist, schlendern bei angenehmen sonnigen Temperaturen durch die kleinen Gassen, bestaunen die vielen verkachelten Häuserwände, trinken Ginja und besuchen die Sehenswürdigkeiten, die Lissabon zu bieten hat wie der Torre del Belém und das Castelo de São Jorge. Nach ein paar Tagen Stadtleben freuen wir uns jedoch auf unsere Reiterreise und warten beim Flughafen auf unsere Abholung, gespannt darauf, wer wohl in der grossen Ankunftshalle alles zu unserer Reisegruppe gehört. Pünktlich werden wir von unserem portugiesischen Tourguide Miguel und seinem indischen Assistenten Anwar abgeholt und gegenseitig vorgestellt. Unsere Gruppe besteht aus 10 Mädels, vier davon aus den USA, drei aus Deutschland, eine Irländerin, eine Französin und mich als Vertretung für die Schweiz. Nach einer Stunde Fahrt, raus aus der Stadt über die grosse Brücke Ponte Vasco da Gama, erreichen wir bei Dämmerungseinbruch unsere erste, und für mich persönlich auch die allerschönste Unterkunft Herdade das Barradas da Serra auf einer Schaffarm etwas ausserhalb von Grândola. Neugierig spähen alle umher und hoffen, in der dunklen Umgebung Anzeichen eines Pferdes zu entdecken. Doch ausser dem wunderschönen Sternenhimmel, der sich da draussen ohne störendes Umgebungslicht gigantisch weit über uns erstreckt, entdecken wir nichts. Nach dem leckeren Abendessen gehen wir bereits früh zurück in unser Zimmer, in welchem praktisch alles aus Kork hergestellt ist. Von der Wand, über die Bettgestelle und Nachttische bis hin zu den Stühlen staunen wir, was man so alles aus Kork herstellen kann.
Am nächsten Morgen geht es nach einem üppigen Frühstück mit Pancakes endlich los zu den Pferden. Alle sind bereits für uns geputzt und gesattelt und spitzen neugierig die Ohren wer wohl die Neuankömmlinge sind, welche sich von ihnen die ganze Woche durch die Landschaft gondeln lassen. Mein Pferdchen, Hortelão, ist ein 10-jähriger Lusitano-Fuchswallach und steht etwas abseits der Gruppe. Kurz darauf erfahre ich auch gleich den Grund. Der Kleine wurde frisch gekauft und läuft zum ersten Mal in der Gruppe mit, davor genoss er eine top Dressurausbildung was mich als mich als ambitionierte Dressurturnierreiterin natürlich besonders freut. Auch sonst erinnert er mich im Laufe der ganzen Woche ständig wieder an meinen eigenen Fuchswallach zuhause, ist Hortelão auch sehr anhänglich und personenbezogen, manchmal etwas schreckhaft und ungeduldig, lässt sich aber sehr fein reiten und reagiert super auf alle meine Hilfen.
Die Zäumungen sind reguläre Wassertrensen, selten auch eine Knebeltrense, mit mit Lammfell gepolsterten, superbequemen Wanderreitsätteln mit Vorderzeug. Nachdem alle ihre Lusitanopferde erhalten haben, die Steigbügel eingestellt und aufgesessen sind, geht es endlich los. Wir geniessen das frühlingshafte Wetter, die Sonne und die tolle Landschaft, reiten durch zahlreiche Korkeichen- und Pinienwälder und nach einem kurzweiligen ersten Ritt entdecken wir bereits den Bus und einen reich gedeckten Tisch, welcher uns Anwar, kurz Anu, vorbereitet hat. Selbstverständlich kommen die Pferde zuerst und nach einem kurzen Briefing, wie das Ganze abläuft, werden die Pferde abgesattelt und an extra aufgespannten Seilen zwischen den Bäumen gefüttert und getränkt. Nun sind wir an der Reihe und geniessen unser Picknick, mit gemischtem Salat, Chips, Käse, Brot und Fleisch vom Grill.
Nach einer kleinen Siesta geht es ans Pferdeputzen. Trotz der hier wärmeren Temperaturen haben die meisten Pferde einen dicken Winterpelz und speziell die Schimmelfraktion schneit die anderen beim striegeln kräftig ein. Mein kleiner Dressürli wurde vorher wohl eingedeckt, hat fast kein Winterfell und ist auch sonst etwas magerer als die anderen und komplett anders bemuskelt. Vor lauter Aufregung über all das Neue isst er nicht einmal sein Mittagessen. Wer sich sicher fühlt, sattelt selber, bei anderen kommen Miguel und Anu helfen. Aufgestiegen wird nur mit ihrer Hilfe und der Gurt wird nach jedem aufsteigen gewissenhaft von den beiden persönlich nachkontrolliert. Nur eines der Dinge, an welchen man merkt, dass den Beiden die Gesundheit und das Wohlergehen ihrer Pferde am Wichtigsten sind. Es geht weitere 3h voran, wir traben und galoppieren viel und geniessen den frischen Wind, welcher uns übers Gesicht streicht. Am ersten Abend ist mein Hortelão so dermassen erschöpft, dass er sich von seiner Frontposition mit ungeduldigem Gezappel wenn man auf jemanden warten muss, auf die abgeschlagene letzte Position mit hängendem Kopf verschoben hat. Zu seinem Glück sind wir nach dem ersten sechsstündigen Ritt auch gleich zuhause im eigenen Stall angekommen. Die müden Pferde werden abgesattelt, geduscht und gefüttert, bevor sie dann später raus auf die Koppel gelassen werden. Wir fahren mit dem Bus ca. 10 Minuten in unsere nächste Unterkunft Quinta de Malmedra beim Dörfchen Santiago do Cacém, ein kleines Hotel, welches inmitten von saftigen Organgenbäumen gelegen ist. Auch dieses Hotel verfügt über einen Pool, für welchen es uns allen aber dann doch ein wenig zu kühl ist. Wir werden mit köstlichem Essen versorgt und die Kalorien, welche wir beim galoppieren verbrannten, gleich um das dreifache wieder aufgestockt. Die Desserts der Wirtin sind einfach der absolute Hammer. Der nächste Tag startet mit frischgepresstem Organgensaft von den Orangen draussen und wir gehen zum Stall. Da wir heute einen grossen Kreis reiten und wieder zum Stall zurückkehren, tauscht Miguel einige der Pferde aus und gibt unseren eigentlichen Trailpferden einen Tag Pause. Hortelão hat bestimmt nichts dagegen. Ich kriege den grossen Machochef Corajoso, einen typischen Lusitanoschimmel, welchem man nach ein paar Leckerlis doch nicht mehr ganz so gleichgültig ist. Unsere Pferde laufen flott vorwärts, diesmal ändert sich die Landschaft und wir reiten durch Eukalyptuswälder und entdecken überall entlang der Wege wilden Lavendel, welcher bereits vereinzelt blüht. In wenigen Wochen wir dies ein wunderschönes violettes Meer aus Blüten sein. Nach einigen schnellen Galoppaden erreichen wir den Stausee von Morgàvel, welcher als Wasserreservoir für die umliegenden Dörfer dient. Unser Picknick steht bereits bereit, diesmal gibt es ganzen Fisch, was bei einigen etwas Unsicherheit auslöst, was man den jetzt mit dem Kopf und den Flossen genau machen soll. Allerdings schmeckt er hervorragend weshalb man über die Fischaugen-Kopfgeschichte drüber hinwegsieht. Bis wir wieder im Stall ankommen sind wir gute 5h geritten. Den Abend lassen wir dann alle zusammen gemütlich mit einem Gin-Tonic ausklingen.
Der dritte Tag beginnt bereits früh, allerdings geht es heute nicht zu den Pferden sondern dahin, woher der Trail seinen Namen hat; nämlich zu den Delfinen. Wir fahren ca. 90 Minuten nach Setúbal zu der Mündung des Sado und geniessen eine ca. 2h Rundfahrt auf einem Katamaran bei strahlendem Sonnenschein. Da aktuell keine Hauptsaison ist, sind ausser uns nur noch wenige andere Touristen auf dem Boot, weshalb wir uns prächtig ausbreiten können und die tolle Bootsfahrt geniessen. Da es wildlebende Delfine ohne Peilsender oder ähnliches sind, versuchen wir die Fahrt mal flussaufwärts und schauen, ob sich da im Wasser was tut. Und tatsächlich haben wir Glück, die Gruppe aus insgesamt 25 Delfinen lässt sich blicken, schwimmt parallel zum Katamaran mit und wir lassen uns von den unglaublich tollen Tieren faszinieren. Um die Delfine nicht zu sehr zu stören, lassen wir sie nach einer Weile wieder ziehen und fahren der Küste entlang bis zur Meeresmündung und wieder zurück.
Am Nachmittag satteln wir wieder unsere eigentlichen Trailpferde und reiten ins ca. 2h entfernte Dörfchen Costa de St. André wo wir und die Pferde übernachten. Der heutige Tag ist mit 27 Grad der heisseste und wir sind froh, den Morgen auf dem Wasser verbracht zu haben. Unsere Unterkunft, das Hotel Vila Park, bietet ebenfalls einen Pool und wir springen ins kühle Nass, wohlverstanden, es ist immer noch Anfangs März und einige andere Hotelbesucher beobachten uns kopfschüttelnd.
Der vierte Tag startet erneut sehr früh, da wir heute an den Strand reiten. Leider ist zum ersten Mal das Wetter ziemlich neblig, man sieht gerade mal 10 Meter weit. Das tosende Rauschen des Meeres ist aber bereits von weitem zu hören und die erfahrenen Pferde werden immer nervöser. Am Strand angekommen fühlen wir uns wie am Ende der Welt, weit und breit nichts als Sand, Meer, Nebel und wir. Wer dachte, wir seien vorher schon schnell galoppiert wurde nun eines besseren belehrt und trotz des sandigen Bodens galoppieren unsere Pferde in halsbrecherischem Tempo dem kilometerlangen Strand entlang. Alle? Nein, meiner ist zum allerersten Mal an Strand und versteht die ganze Aufregung der anderen nicht. Klar, die Wellen behagen ihm nicht und ins Wasser reinstehen geht ganz und gar nicht, aber so schnell galoppieren mit so viel Muskelkater? Niemals! So galoppieren wir gemütlich hinter den anderen her und holen diese wieder ein, als sie in den Schritt übergehen. Die Mittagspause dauert dieses Mal länger, da eigentlich genügend Zeit für uns eingeplant war, um den Tag am Strand zu verbringen. Bei dem nebligen, kalten Wetter ist aber niemandem nach am Strand liegen zumute und so kürzen wir den Mittag etwas ab und sind bereits früher zuhause, was man immerhin für Postkarten schreiben etc. nutzen kann.
Der nächste Tag ist der allerlängste und nach 7 Stunden landeinwärts reiten durch Reisfelder, Moorlandschaften und Pinienwälder verändert sich die Landschaft sichtlich. War der Boden in Strandnähe noch sehr sandig, wird dieser von Stunde zu Stunde fester und erdiger. Auch wird die Landschaft immer bunter, überall blühen nun Blumen wo vor wenigen Tagen noch gar nichts war. Unsere Unterkunft ist wieder die gleiche wie am ersten Tag, diesmal geniessen wir jedoch den Abend am Pool, das Wetter ist inwzischen wieder fantastisch. Unsere Pferde übernachten nun ebenfalls auf der Schaffarm und teilen sich zusammen mit den Schafen die eine Koppel. Auf der anderen kommen die jungen Lämmer nicht mehr aus dem Staunen über die neuen Nachbarn heraus und sorgen für einige zuckersüsse Bilder. Mein Trailpferd Hortelão ist nun soweit mit den anderen bekannt gemacht, dass wir alle zusammen lassen. Nach ein paar Rangeleien untereinander legt sich das Ganze aber schnell wieder, sind die Pferde doch auch zu müde für grossartige Machtkämpfe. Zum Abendessen gehen wir in ein typisches portugiesisches Restaurant, und auch da gibt es wie immer viel zu viel Essen. Verhungern wird in Portugal bestimmt niemand.
Am letzten Reittag ist die Stimmung aufgrund der bevorstehenden Abreise etwas gedrückt und wir alle geniessen den Tag besonders intensiv. Heute ist die Gegend rund um die Hochebene Serra do Grândola
sehr hügelig, es geht eigentlich dauernd hoch und runter. Dazwischen durchqueren wir einige Bäche, reiten durch ein paar malerische Dörfchen und geniessen auf den flachen Strecken unsere letzten zwei Galoppaden. Beim letzten Picknick gibt es dann auch endlich Hühnchen auf dem Grill und Schokolade zum Dessert, nachdem wir Frauen den Jungs klargemacht haben dass wir das durchzogene Schweinefleisch nicht extrem mögen und etwas Schokolade als Dessert durchaus toll finden. Am Ende des Tages heisst es, sich von den liebgewonnenen Pferden zu verabschieden und zu packen. Nach einer Woche haben wir gut 200km auf dem Pferderücken zurückgelegt und sind alle total entspannt und zufrieden wir noch selten zuvor. Am letzten Abend wird nochmals richtig mit Miguel und Anu gefeiert, welche beide mit sehr viel Herzblut und Liebe zu den Tieren dabei sind und immer versuchen, den Gästen alles rechtzumachen. Wir reisen mit vielen tollen Erinnerungen an die schönen Pferde und beeindruckenden Landschaften, neu gewonnenen Freundschaften und dem Versprechen, bald wieder zu kommen, nach Hause.